Verfasst am Tag, an dem der Himmel wieder zu sehen war.
Der Sturm war vorüber. Die Sirenen schon lange verstummt. Die Bildschirme blieben schwarz. Der Feind war weg. Es gab nur Stille.
Es roch nach Metall und toter Luft, als sie das letzte Mal durch den Zugang stiegen.
Drei Schritte nach draußen. Dann knieten sie einfach nur da, stumm, geblendet vom Licht, das keiner mehr erwartet hatte.
Die Erde war verbrannt, der Himmel war grau. Aber beide waren da.
Die letzten Menschen hatten überlebt. Nicht aus Mut. Nicht aus Klugheit. Sondern, weil sie rechtzeitig den Mund gehalten hatten.
Sie hatten geschwiegen, als es anfing. Als der Erste verschwand. Als die Nachbarin nicht mehr sprach. Als die Kameras kamen.
Sie hatten sich eingeredet, dass es klug war, still zu sein. Vernünftig. Dass es nicht ihr Kampf war.
Und jetzt standen sie in den Trümmern einer Welt, die von Menschen zerstört wurde, die überzeugt waren, auf der richtigen Seite zu stehen.
Sie wollten etwas schreiben. Nicht für die Zukunft. Nicht, um sich reinzuwaschen. Sie waren es leid zu schweigen.
Und so schrieben sie – auf altem Papier, mit Bleistift – kein Testament und keinen Appell, sondern ein Manifest der letzten Menschen. Als Erinnerung an den fehlenden Widerstand aus einer Zeit, in der niemand mehr wagte, zu widersprechen.
Was folgt, ist das, was geschrieben wurde:
„Wir schreiben dies nicht aus Hoffnung. Nicht für eine bessere Zukunft. Sondern weil Schweigen das war, was uns hierher geführt hat.
Wir haben gesehen, wie die Welt in Angst versank. Nicht auf einen Schlag, sondern schleichend – in Form von Warnungen, Anordnungen, Sanktionen, Erklärungen.
Immer mit dem richtigen Ton. Immer für die „gute Sache“. Und immer ein bisschen näher an den Abgrund.
Wir haben gelernt, unsere Zweifel zu unterdrücken. Unsere Fragen für uns zu behalten. Unsere Instinkte zu verraten.
Sie sagten, es gehe um Schutz. Um Freiheit. Um Frieden durch Stärke. Und sie appellierten an unsere Solidarität.
Doch es ging um Kontrolle. Um Machterhalt. Und um das uralte Spiel, in dem die Angst das effektivste Mittel war.
Und wir? Wir standen da, nickten – und gaben Stück für Stück alles ab: Wahrheit gegen Narrative. Verantwortung gegen Gehorsam. Leben gegen Sicherheit.
Wir glaubten an Bedrohungen, die uns geliefert wurden. An Feinde, die man uns zeigte. An Systeme, die uns retteten – und uns dabei verschlangen.
Dann kam der Knall. Nicht plötzlich. Nicht überraschend. Sondern als logische Folge eines Wahns, den keiner stoppen wollte.
Jetzt leben wir unter Erde und Asche, und die, die es noch können, schreiben dieses Manifest, damit niemand je wieder sagen kann: „Wir haben es nicht gewusst.“
Frag dich nicht, wer schuld war.
Frag dich, wie viele geschwiegen haben. Und ob du einer von ihnen warst.“
Sie hinterließen das Manifest an der Mauer einer zerfallenen Station, wo der Wind es eines Tages mitnehmen würde. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Sie gingen weiter. Nicht, weil sie wussten, wohin – sondern weil Stillstand sich anfühlte wie Sterben. Und sie alle hatten keine Kraft mehr, in die Bunker zurückzukehren.
Ihre Schritte, die immer leiser wurden, hinterließen keine Abdrücke. Es war nur noch Staub übrig. Einer drehte sich noch einmal um. Nicht, weil er etwas vermisste. Sondern, weil er nicht wusste, ob er das alles wirklich verstanden hatte.
Es gab für sie keine Erlösung. Es gab keinen Neubeginn.
Nur das Gewicht dessen, was war – und das Wissen, dass selbst Überleben manchmal zu wenig ist.